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Mittwoch, Dezember 24, 2008
Antwortbrief: Grüne im Bundestag zur Arbeitsmarktreform
Lieber Jörg,
lieber Stefan,
lieber Ossi,
über das Büro von Volker Beck hat uns euer Brief und die Stellungnahme des Rates der Stadt Köln zum arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkasten erreicht. Auch wenn der Gesetzentwurf mit kleinen Änderungen am 05.12.08 mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und gegen die grünen Stimmen mittlerweile verabschiedet wurde, möchte ich euch auf Bitten von Brigitte gerne kurz unsere Position übermitteln.
Insgesamt sind wir mit der Reform unzufrieden. Insbesondere die Nachfolge-Regelung der so genannten „weiteren Leistungen“ bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Das ursprünglich auf 2 % begrenzte Budget für die neue freie Förderung wurde zwar auf 10 % erhöht. Es bleibt jedoch grundsätzlich beim Aufstockungs- und Umgehungsverbot, von dem nur im Fall von Langzeitarbeitslosigkeit und fehlender anderer Alternativen im SGB II und SGB III abgewichen werden kann. Die Hilfemöglichkeiten gerade für Arbeitssuchende mit multiplen Vermittlungshemmnissen erschweren sich zukünftig durch diese Beschränkungen sehr.
Dieses Ergebnis ist aus grüner Sicht sehr enttäuschend. In den vergangenen Monaten haben nicht nur wir, sondern auch zahlreiche Verbände, Träger und Kommunen sowie ExpertInnen aus Politik und Praxis für den Fortbestand der weiteren Leistungen gekämpft. Diese Forderung ist bei den Verantwortlichen im Bundesarbeitsministerium jedoch ungehört verhallt. Aber auch die unisono geäußerte Kritik an der freien Förderung hat nur wenige greifbare Resultate gezeitigt. Das Bundesarbeitsministerium hält den Instrumentenkasten in der vorliegenden Form für in jeder Hinsicht ausreichend. Wir stehen dieser Aussage - auch wegen des Vorgehens des BMAS in Sachen „weitere Leistungen“ im - fast - vergangenen Jahr - jedoch ausgesprochen skeptisch gegenüber.
Eine zusammenfassende Bewertung findet ihr als Anhang dieser Mail beigefügt.
Viele von euch werden in den nächsten Monaten praktische Erfahrungen mit dem neuen Instrumentenkasten sammeln. Wir fürchten, dass die Praxis erheblichen Änderungsbedarf belegen wird. Für unsere weitere Arbeit wäre es daher sehr hilfreich, wenn ihr uns frühzeitig auf Probleme hinweisen würdet.
Danke und schöne Grüße aus Berlin
Daniela
-- Daniela Kauhausen
Referentin
Büro Brigitte Pothmer, MdB
Bundestagsfraktion B90/Die Grünen
brigitte.pothmer.ma02@bundestag.de
www.pothmer.de
T 030 227 74529
F 030 227 76653
M 0175 370 9865
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Zweiter Drogenkonsumraum
Weiterer Durchbruch für humane Drogenpolitik in Köln
Endlich wird zweiter Drogenkonsumraumes in Köln eingerichtet
Ossi Helling, der sozialpolitische Sprecher der Grünen Ratsfraktion erklärt
zur Geschichte der Kölner Konsumräume:
„Auf Antrag der GRÜNEN in 1996 schauten sich Gesundheitspolitiker die Drogenhilfe der Stadt Zürich an. Experten waren sich danach einig, dass ein Konsumraum, der eher einer Vorstellung von Drogenhölle, denn einer Vorstellung einer „medizinischen Einrichtung“ entsprach, nicht erstrebenswert ist.“
Es brauchte noch weitere 5 Jahre, ehe die Presse melden konnte: “Die Zulassung und der Betrieb von Drogenkonsumräumen(Fixerstuben) wird legalisiert.“ Dies ging auf einen Gesetzentwurf von SPD und Grünen im Bund zurück.
Im März 2000 hat der Rat der Stadt Köln einen spektakulären Antrag unter GRÜNER Beteiligung beschlossen: „Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, inwieweit bei einem freien Träger (z.B. SKM) eine „Kölner Anlaufstelle für Schwerst-Drogenabhängige( KAD)“ geschaffen werden kann.“ Hier sollten unter medizinischer Aufsicht mitgebrachte Drogen konsumiert werden können. Damals war aber auch klar, dass der Raum des SKM am Hauptbahnhof bei weitem nicht den Bedarf decken kann und dass das Rechtsrheinische leer ausging.
Die Grünen haben seit 2000 in allen Haushaltsvereinbarungen erfolgreich darum gekämpft, dass Gelder für den dringend notwendigen zweiten Konsumraum im Rechtsrheinischen zur Verfügung gestellt wurden. Allerdings ließ die Realisierung erneut 9 Jahre (!) auf sich warten.
Im Zuge eines Gesamtpaketes zur Verbesserung der angespannten Situation im Kölner Stadtteil Humboldt-Gremberg wurde – nun von einem breiten Bündnis- erneut die Realisierung des 2. Drogenkonsumraumes eingefordert. Jetzt wurden in Deutz endlich passende Räume gefunden. Die Rahmenbedingungen für ein rechtsrheinisches Angebot werden mit dem Beschluss im morgigen Rat geschaffen.
Ossi Helling erklärt abschließend:
„Damit wird es in Köln jetzt leichter, den öffentlichen Drogengebrauch zu verhindern, öffentliche Belästigungen einzudämmen und schließlich gleichzeitig die Anzahl der Drogentoten infolge unkontrollierten Konsums zu verringern.“
Sonntag, Dezember 07, 2008
Schreiben an Grüne Bundestagsabgeordnete wegen Arbeitsmarktreform
27. November 2008
Bündnis90 / Die GRÜNEN im Bundestag
Frau Kerstin Müller, MdB
Herrn Volker Beck, MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin
nachrichtlich an: Herrn Markus Kurth, MdB
Neuausrichtung der Arbeitsmarkt-Instrumente im SGB II und SGB III
Liebe Kerstin, lieber Volker,
das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat zum 03.09.08 einen aktualisierten Referentenentwurf zur Instrumentenreform im SGB II und SGB III vorgelegt.
Darüber wird naheliegend auch auf kommunaler Ebene in Köln diskutiert. Von unserer Seite wurde initiiert, dass die zuständige Fachverwaltung eine ausführliche
Stellungnahme erstellt, die sie auch an die Bundestagsfraktionen richtete. Darauf möchten wir als Kölner Grüne hinweisen und zugleich deutlich machen, dass wir die
Position des Sozialausschusses (s. beigefügte Stellungnahme) im Wesentlichen teilen. Wir begrüßen den Referentenentwurf da, wo er Instrumente mit geringer Wirkung strafft oder
ersetzt. Für strategisch falsch halten wir aber eine Zusammenführung der Instrumente aus SGB II und III auf der Basis des SGB III.
In einzelnen Fallkonstellationen kann das sinnvoll sein, grundsätzlich muss aber berücksichtigt werden, dass die Personenkreise aus dem SGB II und die aus SGB III sehr
unterschiedliche Bedarfe haben.
Die Mehrheit der Kundenkreise des SGB II braucht sehr individuell angepasste Förderinstrumente. Im Vordergrund steht, dass die spezielle Lebenslage berücksichtigt wird
als Voraussetzung dafür, dass die Menschen erreicht werden.
Ein Förderziel, das sich ausschließlich und kurzfristig an der Aufnahme einer sozialverscherungspflichtigen Tätigkeit orientiert, wäre somit zu kurz gegriffen und erfasst die
oftmals komplexen Problemlagen nicht.
Die lokale Gestaltung der Instrumente funktioniert in Köln seit vielen Jahren zumeist zufriedenstellend – trotz mancher Probleme der ARGE in der operativen Umsetzung. Wir
brauchen diesen Gestaltungsspielraum und somit das vorhandene Experimentierfeld auch weiterhin. Die „sonstigen weiteren Leistungen“ bieten bislang hierzu eine gute Möglichkeit.
Die geplante Ablösung durch eine „Freie Förderung“, die einerseits lediglich 2 % des Eingliederungstitels ausmacht und zudem unter dem Vorbehalt der vorrangigen
Regelinstrumente stehen soll, schränkt uns jedoch vor Ort erheblich ein. Wir befürchten, dass ein noch zu erlassendes Regelwerk die lokale Freiheit extrem
einschränken würde.
Statt Standardisierung von Maßnahmen bedarf es einer Flexibilisierung für individuellere Hilfen; statt einer zentral bestimmten Vergabe- und Einkaufspolitik braucht es lokale
Mechanismen.
Wir unterstützen die bereits in anderen Stellungnahmen formulierten Forderungen an den Gesetzgeber, dass die grundsätzlich positiven Aspekte der SGB III -Reform
hin zu einer flexibleren Förderung eigenständig und als gesetzlicher Rahmen in das SGB II übernommen werden, ohne dass der Bund seine einseitige Interpretationshoheit per
Gesetz bestimmt.
Der Gesetzgeber muss aufgefordert werden, den unterschiedlichen Anforderungen eines Versicherungsgesetzes einerseits und eines Hilfegesetzes andererseits besser Rechnung zu
tragen.
Wir bitten Euch, uns im Rahmen Eurer politischen Interventionsmöglichkeiten auf Bundesebene in Hinsicht der weiteren Entwicklung des Referentenentwurfs und bei den
späteren Ausführungsbestimmungen zu unterstützen.
Zudem möchten wir Euch darum bitten, die Position der GRÜNEN im Bundestag zur Reform in Köln gegenüber der Fachöffentlichkeit in geeigneter Form zu artikulieren. Dies können wir
gerne mit Euch koordinieren.
Herzliche grüne Grüße aus Köln
Jörg Frank Stefan Peil Ossi Helling