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Dienstag, Oktober 05, 2010
Bundesregierung ruiniert Integrationskurse
Finanzierung und Durchführung von Integrationskursen
Resolution an die Bundesregierung
Der Rat der Stadt Köln fordert von der Bundesregierung, speziell vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Richtlinien zur Finanzierung und Durchführung von Integrationskursen zu ändern.
Im Einzelnen gibt es folgende Änderungsbedarfe:
1. Die Zuschlagskürzungen pro Teilnehmer und Kurseinheit müssen zurückgenommen werden. Eine weitere Verschlechterung der finanziellen Ausstattung schwächt die Kursanbieter, schränkt die Flexibilität der Anbieter auf die Gruppenzusammensetzung noch weiter ein und führt dazu, dass die Qualität des Lehrpersonals nicht aufrecht erhalten werden kann. Dazu zählt auch, dass die Leistungsvergütung an die Träger von Integrationskursen zeitnah erfolgt.
2. Von Einschränkungen bei Alphabetisierungskursen ist Abstand zu nehmen. Besonders für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Kurse ist der Zugang zum Bildungssystem wichtig.
3. Die Wiederholung des Aufbaumoduls muss auch weiterhin möglich sein, wenn die Deutschkenntnisse trotz ordnungsgemäßem Kursbesuch für das nächste Level nicht ausreichen. Immerhin 14 % der entsprechenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer schaffen die Anforderungen nicht ohne Wiederholung. Diesen Menschen würde der Zugang zur deutschen Sprache nach den neuen Richtlinien versperrt.
4. Der Vorrang von Vollzeit- gegenüber Teilzeitkursen muss aufgehoben werden. Beide Kursformen sollten gleichwertig angeboten werden. Besonders Frauen sind aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht in der Lage, an einem Vollzeitkursus teilzunehmen und bleiben damit trotz entsprechenden Interesses außen vor.
5. Eine Absenkung des Kinderbetreuungsschlüssels von 12 auf 6 Kinder ohne die finanzielle Berücksichtigung des Ausbaus der Personalstruktur führt zu fehlender Kinderbetreuung, die besonders für die unter 3-Jährigen dringend benötigt wird. Hiervon betroffen sind wiederum überwiegend Frauen, die von Integrationsangeboten nicht erreicht werden können.
6. Der Zugang von Interessierten, die nicht zu den Kursen verpflichtet sind muss erleichtert werden. Mit dieser Regelung werden EU-Bürger gegenüber Drittstaatlern (die ja zur Kursteilnahme verpflichtet sind) benachteiligt. Sie betrifft aber auch Empfänger von Arbeitslosengeld I, die zur Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit dringend ihre Deutschkenntnisse verbessern müssen.
Begründung:
Integrationskurse für Migrantinnen und Migranten, finanziert vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), gelten als Vorzeigeprojekt der Bundesregierung. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt wurden jedoch vor kurzem weitreichende Kürzungen beschlossen. Alle, die lediglich eine Teilnahmeberechtigung bekommen können, aber keiner Verpflichtung (also zum Beispiel alle EU-Bürger) unterliegen, müssen zur Zeit etwa ein halbes Jahr auf einen Kurs warten. Sie erhalten erst nach einer erfahrungsgemäß beträchtlichen Bearbeitungszeit durch das Bundesamt eine Berechtigung, die drei Monate nach Ausstellung Gültigkeit bekommt. Viele Anträge sollen erst ab 2011 bearbeitet werden. Auch die Kürzung von Fahrtkosten führt dazu, dass viele integrationswillige Bewerber derzeit keinen Kurs beginnen können. Bundesweit warten derzeit schätzungsweise 20 000 Migranten auf einen Kursplatz. Monatelange Wartezeiten sind vorprogrammiert. Zudem wurden Zuschüsse für die Qualifikation der Lehrer von Integrationskursen gestrichen.
Vor dem Hintergrund auch der öffentlichen Diskussion über Pflichten von Migrantinnen und Migranten zur Integration setzt sich der Integrationsrat für eine Änderung der Richtlinien zur Finanzierung und Durchführung der Integrationskurse ein.
Die Erfahrungen in Köln haben gezeigt, dass Angebote dann angenommen und erfolgreich genutzt werden, wenn sie den Bedürfnissen der Interessierten gerecht werden. Berücksichtigt werden müssen finanzielle Möglichkeiten, Verpflichtungen in der Familie, zeitlicher Freiraum, persönliche Hemmschwellen und nicht zuletzt individuelles Leistungsvermögen und Bildungsstand.
Je flexibler die Angebote sind, umso besser und somit zahlreicher können sie angenommen werden. Die neuen Regelungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden jedoch den Zugang zu Integrationskursen verschlechtern. Sie stellen einen Paradigmenwechsel dar. Statt möglichst freiem Zugang zu den Kursen wird ausgesperrt und verzögert. Da die Bundesregierung die Kosten deckelt, wird Interessierten der Zugang aus Kostengründen eher verweigert statt erleichtert.
Der Rat der Stadt Köln setzt sich dafür ein, die bisherigen guten Erfolge der Kölner Integrationskurse fortzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Gonca Mucuk-Edis gez. Ossi Helling
SPD-Fraktion Grünen-Fraktion