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Samstag, Mai 01, 2010
Freie Träger und Haushalt 2010
Der Arbeitskreis Soziales der Grünen Ratsfraktion hat folgendes Schreiben der Fraktionsführung initiiert:
An Träger der Wohlfahrtspflege, der freien Jugendhilfe,
der freien Gesundheitspflege und Sozialarbeit, der freien Kulturszene,
der sozialen Beschäftigungsförderung und aus dem Migrationsbereich in Köln
13. April 2010
Haushalt 2010/2011
Abschlagszahlungen für 2010 an freie Träger
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
derzeit erreichen uns besorgte Schreiben, in denen die Änderung des Ratsbeschlusses vom 23. März 2010 „Abschlagszahlungen 2010 für das II. Quartal“ fordern. Verschiedene Träger teilen uns mit, dass aufgrund der Zuschusskürzung im Vergleich zu 2009 weitreichende Folgen für die Aufgabenerfüllung und für ihre Beschäftigten zu erwarten seien und ggf. die Existenz des Trägers gefährdet wäre. Diese Sorgen können wir natürlich nachvollziehen.
Mit unserem Antrag in die letzte Ratssitzung haben wir der Verwaltung den Auftrag erteilt, eine Abschlagszahlung für das 2. Quartal zuzüglich einer Kompensation von ungekürzten Personalkostensteigerungen (Grundlage Ratsbeschluss 25.09.2008) vorzunehmen. Uns ist bewusst, dass der zweite Abschlag unterhalb der Zuschüsse in 2008/2009 und in vielen Fällen nur geringfügig über dem Abschlag für das I. Quartal liegt.
Die rechtliche Situation der „vorläufigen Haushaltsführung“ lässt nichts anderes zu. Die Verwaltung hat dies in einer Stellungnahme des Stadtkämmerers vom 22.03.2010 an den Rat noch einmal klargestellt. Abschläge auf Basis der Haushaltsansätze 2009 sind daher rechtlich nicht möglich. Hätte der Rat am 23. März Abschläge auf Basis 2009 entschieden, wäre ein solcher Beschluss mit ziemlicher Sicherheit rechtlich beanstandet worden. Dies hätte die Situation für die Zuschussempfänger erheblich verschlimmert.
Mit unserer Initiative sind wir hart an die Grenze des kommunalgesetzlich Möglichen gegangen. Die Gemeindeordnung legt Rat und Verwaltung angesichts des immensen Fehlbetrags und eines noch nicht verabschiedeten und genehmigten Stadthaushalts enge Fesseln an.
Gegenwärtig schließt das Haushaltsjahr 2009 mit einem negativen Ergebnis von 252 Mio. Euro ab. Aufgrund der massiven Einbrüche bei den Steuereinnahmen und weiterer Belastungen beträgt der reale Fehlbetrag in 2010 derzeit 450 Mio. Euro. Für den Ausgleich dieser Fehlbeträge ist die Ausgleichsrücklage zu gering. Daher war es folgerichtig, den im Herbst 2009 eingebrachten Haushaltsplanentwurf 2010 zurückzuziehen.
Die Ratsmehrheit aus SPD, GRÜNE und FDP hat nun die Verwaltung beauftragt, bis zum 13. Juli einen Doppelhaushalt 2010/2011 aufzustellen, der mit einem „stadtinternen Haushaltssicherungskonzept“ verbunden sein soll, um den Haushaltsausgleich erreichen zu können. Nur auf diesem Wege besteht die Chance, einem Nothaushaltsregime unter Aufsicht der Bezirksregierung zu entgehen. Nicht ohne Grund hat der amtierende Regierungspräsident jüngst mehrfach öffentlich angekündigt, die Finanzlage der Stadt Köln kritisch prüfen zu wollen.
Nicht allein sinkende Steuereinnahmen infolge der globalen Finanzkrise sind die Ursache für das enorme Haushaltsdefizit. Aufgabenübertragungen und Mittelkürzungen durch das Land NRW belasten den Kölner Haushalt jährlich mit über 100 Mio Euro. Eine Reihe von Aufgaben, für die die Landesregierung nicht mehr aufkommt, werden inzwischen rein städtisch finanziert, so. z.B. die Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen. Die Städte bluten durch die Zumutungen des Landes und des Bundes sukzessive aus. Seit Jahren befinden wir uns im Zustand der „Notstandsverwaltung“, da die Städte strukturell unterfinanziert sind. Nur eine föderale Finanzreform kann diesen Missstand nachhaltig positiv verändern.
Die GRÜNE Ratsfraktion hat - auch infolge des Haushaltssicherungskonzepts 2003 – Erfahrung in Sachen Haushaltskrise. Nur ist die gegenwärtige Lage deutlich schlimmer als 2003. Die GRÜNEN werden sich wie bisher verantwortungsvoll in die äußerst schwierigen Haushaltsberatungen einbringen. Jede geplante Einsparung wird auf ihre Konsequenzen und Folgekosten geprüft. Jede Ausgabe werden wir seriös danach beurteilen, ob sie aktuell und in der geplanten Höhe notwendig ist, weil uns bewusst ist, dass ausgegebenes Geld an anderer Stelle nicht mehr zur Verfügung steht. Auch die Einnahmenseite werden wir sorgfältig prüfen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir einzelne Zuschüsse oder die unveränderte Aufrechterhaltung bestimmter Leistungen nicht garantieren. Wir können auch derzeit keine Prioritäten für einzelne Bereiche festlegen, auch wenn Ihnen das im positiven wie im negativen Sinne Planungssicherheit geben würde
Denn, nun ist erst einmal die Verwaltung gefragt, realistische und fachlich abgewogene Konsolidierungsvorschläge zu erstellen und der Politik vorzulegen. Uns ist bewusst, dass pauschale lineare Kürzungen nicht für alle Bereiche zielführend sind. Die Kürzungsvorschläge der Verwaltung werden wir kritisch würdigen und ggf. auch korrigieren. Nicht zuletzt muss für einen Konsolidierungskurs eine politische Mehrheit im Rat erzielt werden. Dies setzt voraus, dass politische Kompromisse gefunden werden.
Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir uns bei den anstehenden Verhandlungen dafür einsetzen, dass bewährte Strukturen des kommunalen Netzes im Jugend-. Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kulturbereich fortbestehen können, die vielfach durch die Arbeit freier Träger existieren.
Wir werden im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen die Gespräche mit Trägern und Verbänden fortsetzen. Wir halten es für wichtig, die unvermeidbaren Konsolidierungsbemühungen nicht im kräftezehrenden Konflikt sondern in Kooperation mit den freien Trägern zu bewältigen. Dabei sind uns die professionellen Erfahrungen aus dem Trägerbereich wichtig. Unsere fachpolitischen Sprecher/innen werden dazu mit Ihnen weiterhin das Gespräch suchen: Ossi Helling für Soziales und Migration, Kirsten Jahn für Jugendhilfe, Horst Thelen für den Bildungs- und Schulsektor, Stefan Peil für den Gesundheitssektor, Brigitta von Bülow für Kultur.
Daher appellieren wir angesichts dieser bislang in dieser Schärfe noch nie dagewesenen Lage für Köln an alle gesellschaftlichen Kräfte, Ideen für Konsolidierungsvorschläge einzubringen. Viele engagierte Bürger/innen können aus ihrer Lebenserfahrung und aus ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Engagement oftmals gut einschätzen, welche Einsparpotenziale in bestimmten Bereichen realistisch und vertretbar wären. Deshalb sind wir auch nicht dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt, in dieser Situation auf eine organisierte Bürgerbeteiligung im Rahmen des „Bürgerhaushalts“ zu verzichten. Im Gegenteil. Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt, dass der „Bürgerhaushalt“ unter den neuen Bedingungen fortgesetzt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Moritz Jörg Frank
Vorsitzende Geschäftsführer